Präsidium
30.03.2022

Auswirkungen des Krieges auf die Energiemärkte

Beschluss des Präsidiums des Deutschen Städtetages
  1. Das Präsidium würdigt die Bemühungen der Bundesregierung, die Energieversorgung in Deutschland und Europa auf eine neue Grundlage zu stellen, um schnellstmöglich unabhängig von russischen Energielieferungen zu werden. Ein Lieferstopp und eine daraus folgende Mangellage sind realistische Szenarien. Die Entscheidung ist richtig, die Frühwarnstufe auszurufen, um ein Krisenbewusstsein in der Wirtschaft und auch in der Bevölkerung zu schaffen. Der Notfallplan muss Kriterien und Kategorien für eine rechtssichere Priorisierung bei der Versorgung festlegen. Damit wird gewährleistet, dass schutzwürdige Verbraucher wie Privathaushalte und soziale Einrichtungen möglichst durchgehend mit Gas versorgt werden. Schon jetzt ist ein Krisenstab einzuberufen, der eine stetige Lagebewertung vornimmt, strategische und operative Notfallmaßnahmen vorbereitet und den Informationsfluss sicherstellt. Die Städte und ihre Unternehmen müssen eng eingebunden sein.
     
  2. Der steigende Druck an den Energiemärkten bringt auch die Stadtwerke durch steigende Beschaffungs- und Vorsorgekosten zunehmend unter Druck. Für den Fall von Liquiditätsengpässen ist eine finanzielle Absicherung durch den Bund unabdingbar.
     
  3. Das Präsidium unterstreicht die Bedeutung der erneuerbaren Energien. Die Ausbauziele müssen erhöht werden. Die geplante rechtliche Klarstellung im EEG, dass die Nutzung erneuerbarer Energien im überragenden öffentlichen Interesse liege und der öffentlichen Sicherheit diene, schafft Rechtssicherheit und erleichtert Abwägungsentscheidungen. Daneben muss die Energieeffizienz deutlich gesteigert werden. Unmittelbare Einsparpotentiale wie beispielsweise durch ein Tempolimit sollten jetzt geprüft werden. Auch im Gebäudebereich muss der Energieverbrauch reduziert werden. Die Absichten der Bundesregierung werden begrüßt, die Fördersätze für energetische Sanierungen weiterzuentwickeln. Es bedarf zudem einer Strategie für die Rolle von Erdgas und Wasserstoff in den Wärmenetzen und einer großangelegten gemeinsamen Offensive von Industrie, Handwerk und Versorgern.
     
  4. Die beschlossenen Maßnahmen der Bundesregierung für eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger und der Wirtschaft von den hohen Energiepreisen sind in der außergewöhnlichen Situation nachvollziehbar. Das Präsidium warnt davor, in der Debatte um die Energiepreise die notwendige ökologische Lenkungswirkung und soziale Dimension aus dem Blick zu verlieren. Breite und weniger zielgenaue Entlastungswirkungen wie die Energiepreispauschale, die Senkung der Kraftstoffsteuer oder ein pauschales Kindergeld dürfen nur temporär gelten.
     
  5. Nachhaltige Verhaltens- und Nutzungsänderungen können nur über einen erhöhten Energiepreis erreicht werden. Soziale Härten müssen jedoch abgefedert werden. Für Transferleistungsempfängerinnen und -empfänger ist eine rasche Anpassung der Regelsätze geboten. Das geplante Klimageld als pro Kopf Entlastung sollte zu einem verbrauchslenkenden Energiegeld ausgestaltet werden.
     
  6. Die Städte begrüßen die Zielsetzung, den ÖPNV für die Menschen attraktiv zu machen. Das beschlossene 9-Euro-Monatsticket ist aufgrund der immensen Mindereinnahmen, erheblichen Umsetzungsfragen und nicht kalkulierbaren Wirkungen jedoch untauglich. Die temporäre Entlastung bei den Spritpreisen ist aufgrund ihrer ökologischen Fehlanreize und zu breiten Streuung weder sachgerecht noch verhältnismäßig. Die Pendlerpauschale sollte mittelfristig in ein zielgenaues Mobilitätsgeld umgewandelt werden.