30.11.2018
Städtetags-Broschüre zur Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“
Altschuldenprobleme der Städte lösen – steigende Sozialbelastungen reduzieren – gleichwertige schulische Bildungsangebote gewährleisten
Welche Lösungen gibt es für strukturschwache Städte und Regionen, um mit der allgemeinen positiven Entwicklung im Land Schritt halten zu können? Wie können diese Städte und Regionen gezielt in Bereichen wie Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Bildung und Verkehrsinfrastruktur gefördert werden? Welchen Beitrag können Bund und Länder leisten, um finanzschwachen Kommunen beim Abbau ihrer Altschulden zu helfen, weil sie das allein nicht schaffen können?
Antworten auf diese und weitere Fragen bestimmen den Inhalt der heute vom Deutschen Städtetag veröffentlichten Broschüre mit dem Titel "Chancen und Teilhabe überall – Strukturschwäche bekämpfen". Der Deutsche Städtetag ist Mitglied der Kommission "Gleichwertige Lebensverhältnisse". Mit dem Papier will er die Arbeit der Kommission unterstützen und mögliche Lösungswege aufzeigen. Wesentliche Einschätzungen und Positionen des Deutschen Städtetages sind auf Seite 2 dieser Pressemitteilung als zentrale Forderungen aufgelistet.
Der Präsident des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeister Markus Lewe aus Münster, sagt: "Die Vielfalt unserer Städte und Regionen macht unser Land stark. In einem föderalen Staat gibt es immer regionale Unterschiede. Aber problematisch ist es, wenn Unterschiede mancherorts so groß werden, dass die Zukunftschancen der Menschen davon abhängen, wo sie leben. Dies gilt zum Beispiel bei Arbeitsmarkt- und Bildungschancen. Das hat auch der Bund erkannt und im September die Kommission gleichwertige Lebensverhältnisse eingesetzt. Jetzt, in den wirtschaftlich guten Zeiten mit hohen Steuereinnahmen, muss diese Kommission konkrete Maßnahmen für gleichwertige Lebensverhältnisse entwickeln und müssen Bund, Länder und Kommunen gemeinsam an dieser Aufgabe arbeiten."
Die betroffenen Kommunen wollen und müssen die Folgen von Strukturschwäche kurzfristig abmildern und sie wollen zugleich langfristig den notwendigen Strukturwandel bewältigen. Weil das Geld dafür fehlt, sind sie dazu vielerorts aber nicht allein in der Lage, erläutert Lewe: "Jeder sechste Mensch in Deutschland lebt inzwischen in einer Kommune, die mehr als 1.000 Euro Kassenkredite je Einwohner schultern muss. Das ist ein bedeutender Indikator für das Altschuldenproblem von Kommunen. Es müssen Lösungen gefunden werden, mit denen Bund und Länder die von Altschulden betroffenen Städte unterstützen. Ein Weg wäre, die Kommunen von steigenden Sozialausgaben zu entlasten, indem der Bund einen größeren Anteil an den Kosten der Unterkunft für Langzeitarbeitslose übernimmt. Denkbar wäre aber auch eine direkte Hilfe, indem der Bund und die betroffenen Länder das Zinsrisiko verringern und den Kommunen bei der Schuldentilgung helfen."
Der Deutsche Städtetag betont, dass sich die Debatte um die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse nicht primär um Stadt-Land-Gegensätze dreht. Vielmehr gehe es um die Unterschiede von strukturschwachen und wirtschaftsstarken Städten und Regionen. Strukturschwach bedeutet niedrige wirtschaftliche Aktivität, unterdurchschnittliche Wirtschaftskraft oder schlechter Zustand bei technischer und sozialer Infrastruktur. Dies führe in strukturschwachen Städten und Regionen zu wachsenden Ungleichgewichten, etwa auf dem regionalen Arbeitsmarkt oder bei den kommunalen Leistungen, sodass eine gefährliche Abwärtsspirale drohe.
Zentrale Forderungen des Deutschen Städtetages
- Eine Lösung des Altschuldenproblems ist machbar und nötig. Die Lösung kann direkt erfolgen, zum Beispiel durch eine neue Gemeinschaftsaufgabe von Bund und betroffenen Ländern. Oder sie kann indirekt durch eine deutlich höhere Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft gelingen.
- Strukturschwache Städte und Regionen müssen gezielt gefördert werden. Für ein gesamtdeutsches Fördersystem ist die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ weiterzuentwickeln. Sie muss an neue Herausforderungen angepasst und das Fördervolumen deutlich ausgeweitet werden.
- Die Instrumente der Raum-, Landes- und Regionalentwicklung müssen gestärkt werden. Das Zentrale-Orte-Konzept muss überarbeitet werden. Hierbei ist anstelle einer theoretischen Anzahl für notwendige Angebote für die Bevölkerung der Zugang zur Daseinsvorsorge vor Ort entscheidend.
- Die Verkehrswende kann nur im Rahmen einer Investitionsoffensive mit mindestens 20 Milliarden Euro spürbar vorangetrieben werden. Wachsende Städte, strukturschwache Städte und der dünnbesiedelte Raum benötigen unterschiedliche Formen der Unterstützung.
- Die Chancen auf dem Arbeitsmarkt sind regional ungleich verteilt. Die Eingliederungsmittel müssen gerade dort erhöht werden, wo die strukturelle Arbeitslosigkeit besonders groß ist.
- Gesellschaftlicher Zusammenhalt ist die Grundlage unseres Gemeinwesens. Damit Teilhabe und Zusammenhalt von Anfang an gelingen, sind gute Kinderbetreuung und gute Bildung in den Schulen elementar und müssen überall gesichert werden. Eine regional differenzierte Förderung des Ausbaus und des laufenden Betriebs der Kinderbetreuung ist notwendig. Für die Schulen ist zwischen Bund und Ländern sicherzustellen, dass sich der Bund dauerhaft an den Kosten der Digitalisierung beteiligt.
- Die Breitband-Infrastruktur ist in allen städtischen Räumen gezielt auszubauen und geringe Bandbreiten sind auf Gigabitniveau auszuweiten. Beim Mobilfunk ist ein bedarfsgerechter Ausbau für 5G erforderlich.